Veränderung, Wandlung und Erneuerung zur Ehre Gottes

Die Reihe „Synodalität bewegt – weltweit und in der Schweiz“ geht mit einem Beitrag von Pater Hansruedi Kleiber weiter. Er stellt die synodale Kultur des Jesuitenordens vor.

Synodalität und die Gesellschaft Jesu
Es ist kein Geheimnis, dass Papst Franziskus bis zu seiner Bischofsernennung Mitglied des Jesuitenordens war und von der Spiritualität des Ordens bis heute stark geprägt ist. Seine ganze Vorgehensweise in der Leitung der Kirche ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund der ignatianischen Spiritualität. Immer wieder betont er z.B. wie wichtig die sogenannte „Unterscheidung der Geister“ sei, die in allen Dingen nach dem Wahren und Guten fragt und nach dem, was in eine heilsame, die Menschlichkeit und den Frieden fördernde Richtung weist und was nicht. Auch betont er immer wieder, dass er stets um ein prozesshaftes Vorangehen bei der Suche nach Lösungen der vielfältigen Probleme in der Kirche bemüht sei. Eben dies zeigt sich auch in der gegenwärtigen Situation des weltweiten Synodalen Prozesses, den der Papst angestossen hat und von dem er sich einiges zum Wohl der Kirche erhofft.

Dass sich der Jesuitenorden im Laufe seiner bald fünfhundertjährigen Geschichte immer wieder verändert hat – nicht in Bezug auf seinen Ursprung und sein Charisma, dem er immer treu geblieben ist – sondern in Bezug auf seine jeweiligen konkreten Ausrichtungen, liegt darin begründet, dass schon der heilige Ignatius von Loyola, Gründer des Ordens, seinen Mitbrüdern die Anweisung gegeben hat, auf die sich verändernden Herausforderungen stets neu und angemessen zu reagieren, um so den „Seelen“ besser helfen zu können. Darum gehören Veränderung, Wandlung und Erneuerung quasi zur DNA des Ordens und machen seine Flexibilität und Dynamik aus.

Die „gemeinsame geistliche Unterscheidung“
Auch wenn der Jesuitenorden kaum demokratische Strukturen und Gremien kennt – er ist zunächst stark hierarchisch aufgestellt und organisiert – ist die Weise seines Vorangehens ganz im Sinne einer „gemeinsamen geistlichen Unterscheidung“ zu sehen und damit auch als „synodaler Prozess“, d.h. als ein „gemeinsames miteinander Unterwegssein“. Dabei geht es darum, aufeinander zu hören, Argumente pro und contra auszutauschen, die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen, der Kirche möglichst gut und effizient zu dienen, sich für Glaube und Gerechtigkeit einzusetzen und das alles „ad majorem dei gloriam“ – „zur grösseren Ehre Gottes“. Schon die ersten Gefährten des Ignatius haben sich in diesem Sinne bemüht, wenn es um wichtige Entscheidungen ging. Die „Deliberatio primorum patrum, die „Unterscheidung der ersten Patres“ gilt als Modell für spätere Generationen. Immer geht es darum, in möglichst grosser innerer Freiheit (Ignatius spricht von „Indifferenz“) den Willen Gottes zu suchen und zu finden.

In mehr oder weniger grossen Abständen kommen die sogenannten „Generalkongregationen“ des Ordens zusammen, Delegiertenversammlungen aus aller Welt, um miteinander während mehreren Wochen auszutauschen. Dies geschieht auch auf der Ebene der Provinzen und der einzelnen Werke und Kommunitäten. So haben auch unsere Kommunitäten in der Schweiz auf die Fragen der Diözesen zum Synodalen Prozess reagiert und in gemeinsamer Unterscheidung darauf Antworten zu geben versucht. Auch haben Jesuiten mit den ihnen anvertrauten Gruppierungen – z. B. in der Hochschulseelsorge oder in philosophisch-theologischen Arbeitskreisen – die Fragen diskutiert und beantwortet.

Ein „Apostolischer Plan“ für Zentraleuropa
Auf der Ebene der vor zwei Jahren neu errichteten „Zentraleuropäischen Provinz“ (sie umfasst Deutschland, Österreich, Litauen und die Schweiz) wurde für die Jahre 2023 bis 2028 ein „Apostolischer Plan“ erarbeitet, zu dessen vorgängigen intensiven Reflexions- und Gebets-Prozess Mitbrüder des Ordens und ihre Mitarbeitenden eingebunden waren. Nach vielen Beratungen, gemeinsamen Überlegungen und geistlicher Unterscheidung wurde der Plan vom Generaloberen der Gesellschaft Jesu, Arturo Sosa, genehmigt. Der „Apostolische Plan“ soll die Ausrichtung der apostolischen Tätigkeit der Provinz darstellen. Er soll sichtbar machen, wofür die Jesuiten stehen. Er soll Jesuiten und Mitarbeitende in einer gemeinsamen Sendung verbinden. Er soll Orientierung geben für den Prozess der Profilierung, Reduzierung und Innovation, um auch in Zukunft präsent, relevant und wirksam sein zu können. Damit ist die Zeit der Implementierung, der Konkretisierung und Umsetzung gekommen.

Der Fusion der vier ehemaligen Provinzen ging ein mehrere Jahre dauernder Prozess voraus. Aufgrund der abnehmenden Mitgliederzahlen wurde entschieden, Synergien zu schaffen und statt vier Provinzverwaltungen nur noch eine einzige zu etablieren. Dazu wurde der jeweilige „status quo“ der einzelnen Provinzen erhoben. Apostolische Schwerpunkte, Strukturen, Immobilien, Finanzen und auch Vor- und Nachteile einer Fusion wurden auf verschiedenen Ebenen des Ordens diskutiert. Fachleute wurden beigezogen, juristische und organisatorische Fragen erörtert und auch die Ordensleitung in Rom hatte zur Errichtung der neuen Provinz ein Wort mitzureden. Der „Apostolische Plan“ ist eine erste Frucht dieses Prozesses

Inhaltlich bezieht sich der „Apostolische Plan“ auf vier Universale Apostolische Präferenzen der weltweiten Gesellschaft Jesu, die so zusammengefasst werde können: 1. Den Weg zu Gott aufzeigen durch Geistliche Übungen und Unterscheidung. 2. Mit den Armen gehen, mit den Ausgegrenzten dieser Welt, mit denen, deren Würde verletzt wurde, auf einem Weg der Versöhnung und Gerechtigkeit. 3. Junge Menschen begleiten in der Gestaltung einer hoff-nungsvollen Zukunft.  4. Zusammenarbeiten in der Sorge um das Gemeinsame Haus.

Auf dem Hintergrund des Schwundes von Ordensmitgliedern sind die Jesuiten bei der konkreten Verwirklichung ihres „Apostolischen Plans“ auf die Zusammenarbeit mit nicht-jesuitischen Gefährtinnen und Gefährten angewiesen. Sie bilden ein entscheidendes Scharnier zu den pluralen Lebenswelten unserer Gesellschaft.

Der Beitrag des Jesuitenordens zum Synodalen Prozess
Die Apostolischen Präferenzen stehen – wie Papst Franziskus betont – im Einklang mit den gegenwärtigen Prioritäten der Kirche, wie sie im ordentlichen Lehramt des Papstes, der Synoden und der Bischofskonferenzen, vor allem seit dem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ von Papst Franziskus, zum Ausdruck kommen. Insofern leistet der Jesuitenorden einen Beitrag zum weltweiten synodalen Prozess und zwar in zweifacher Hinsicht: Einmal kann die „gemeinsame Unterscheidung“ und die Art und Weise des Vorangehens des Ordens hilfreich sein für alle kirchlichen Gremien, die vor wichtigen Entscheidungen stehen. Weiter können auch die inhaltlichen Prioritäten für die Kirche als Ganze auf dem Weg in eine fruchtbare Zukunft wegweisend sein.

Was für die Gesellschaft Jesu im Kleinen gilt, mag auch für die Kirche im Grossen von Bedeutung sein.

P. Hansruedi Kleiber SJ

Pater Hansruedi Kleiber ist 1948 geboren und mit 20 Jahren in den Jesuitenorden eingetreten und derzeit als Präfekt der Luzerner Jesuitenkirche tätig. Von 1983 bis 1999 war er Hochschulseelsorger an der Universität Basel. 1999 bis 2005 leitete er als Provinzial die Schweizer Jesuitenprovinz. Pater Kleiber war und ist Mitglied verschiedener kirchlicher Gremien und war auch als Radioprediger tätig.
www.jesuitenkirche-luzern.ch
hansruedi.kleiber@jesuiten.org

One thought on “Veränderung, Wandlung und Erneuerung zur Ehre Gottes

  1. Ohne demokratische Strukturen droht jede Synodalität in der Willkür der Machtstrukturen unterzugehen. Die Verfassung der Dominikaner zeigt, dass es auch anders geht.
    Dringendes Desiderat: eine positive Theologie der Demokratie. Papst Franziskus wertet die Demokratie immer wieder ab, indem er sie mit Parteiengezänk identifiziert.

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