Liebe Delegierte

Ich spreche zur Frage der Entscheidungsfindung und zur Verbindlichkeit von Entscheidungen.
Wir erfahren in diesen Tagen eindrücklich, dass wir 200 Delegierten in dieser Versammlung trotz grosser Spannungen zusammen unterwegs bleiben, alle in Liebe für das Evangelium und für unsere Kirche. Wir erfahren Unterwegssein als Volk Gottes in internen und externen Krisenzeiten. Wir erfahren, was es heisst, wenn wir synodal zu arbeiten beginnen.
Für unsere Arbeiten in und nach Prag sind folgende Punkte wichtig:

1. Das ganze Volk Gottes muss in synodalen Prozessen und Versammlungen repräsentiert sein und eine Stimme bekommen

In Europa – und darüber hinaus – ist es nötig, die organisierten katholischen Frauen- und Jugendverbände, unsere queeren Geschwister und Migrantinnen und Migranten an den Tisch einzuladen. Die Schweizer und andere Delegationen bedauern es sehr, dass die klassischen kath. Frauenverbände Europas, zusammengefasst unter Andante, keine Vertretung in unsere Versammlung senden durften. Sie sind 1 Million kath. Frauen in Europa. Ohne ihr ehrenamtliches Engagement müssten wir viele Pfarreien schliessen.

2. Zuhören, gemeinsame Unterscheidung und transparentes Entscheiden gehören zusammen und alle sollen an jedem Schritt partizipieren können

Unabdingbar für das Gelingen eines synodalen Prozesses, sei es auf lokaler, nationaler oder europäischer Ebene ist die Partizipation aller Getauften beim Prozess des Hinhörens, der Unterscheidung und auch bei der Entscheidung. In einigen Teilen der Kirche in der Schweiz haben die Laien in der kirchliche Entscheidungsfindung das Recht mitzubestimmen. Mit den Rechten haben sie auch Pflichten und Verantwortung. Damit tragen sie gemeinsam mit den Bischöfen und Bischofsräte zur Gestaltung der Kirche bei. Wir müssen in diesem synodalen Prozess auf europäischer, wie auch auf weltkirchlicher Ebene kreative und neue Wege der Entscheidungsfindung erkunden. Wege die ermöglichen dass sich das Volk Gottes mit einbringen kann und sich die Bischöfe bei der Entscheidungsfindung den Stimmen aus ihrem Volk und dem erreichten Konsens verpflichtet fühlen. Wir können dabei von den Entscheidungsprozessen in Ordensgemeinschaften, von einigen Ortskirchen in Europa und von der Kirche in Lateinamerika lernen.

3. Zur Handhabung des Schlussdokuments unserer Versammlung in Prag

Wir sind als Schweizer Delegation an diese Versammlung gekommen in der Annahme, dass über das Schlussdokument abgestimmt wird. Die Spielregeln zum Prozess der Erarbeitung und Verabschiedung eines Abschlussdokuments müssen den Delegierten vor der Versammlung transparent kommuniziert werden. Auch allfällige Änderungen der Spielregeln und die Begründung dafür müssen den Teilnehmenden zeitnah kommuniziert werden. Nicht, dass wie aktuell geschehen, die Presse vor den Delegierten informiert wird. Zum Abschluss dieser Versammlung sollen die Delegierten über den Schlussbericht abstimmen. Ein Dokument, das von der Europasynode angenommen wurde, ist für die künftige Arbeit im synodalen Prozess in Europa wichtig. Nur so kann ein Bild entstehen, wie sich der synodale Prozess in Europa weiter entwickeln soll. Auch für die Eingabe ans Synodenbüro im Vatikan scheint mir die Legitimation des Dokuments durch eine Abstimmung wichtig.

Der Weckruf von Papst Franziskus mit der Lancierung des synodalen Prozesses ist eine grosse Chance. Es ermöglicht uns und der ganzen katholischen Kirche, dass wir uns glaubwürdiger für das Reich Gottes, für Gerechtigkeit und Frieden in den Krisen unseres Kontinents engagieren können. Packen wir diese Chance! Und gehen wir weiter, auf dem synodalen Weg, so wie es in unseren Ländern sinnvoll ist: «Die Kirche darf in den Alpen ein anderes Gesicht zeigen als an der Ostsee oder am Schwarzen Meer.»
Die Vielfalt ist ein grosser Reichtum unserer gemeinsamen katholischen Kirche.

Danke!

Votum von Helena Jeppesen, Schweizer Delegierte an der Europasynode in Prag

6 thoughts on “Liebe Delegierte

  1. Danke Helena,
    für Dein Votum. Hoffen wir weiter, dass es endlich Wirklichkeit wird.
    Das Metapher von „Die Kirche darf in den Alpen …..“ gefällt mir sehr gut und drückt das vielfältige Leben in unserer kath. Kirche sehr gut aus.
    Viel Hoffnungskraft weiterhin wünsche ich Dir und Eurer Gruppe.

  2. Herzlichen Dank für Dein Votum
    . Ich hoffe, dass viel von Deinen Anregungen aufgenommen wird, nur so können wir weiter kommen.

  3. Herzlichen Dank für Dein Votum. Ich hoffe, dass viel von Deinen Anregungen aufgenommen wird, nur so können wir weiter kommen

  4. Phantastisch, liebe Helena, du bringst die Synodalität in drei Gedanken auf den Punkt! Hervorragend!!!!

  5. Danke, Helena, für Dein kluges Votum. Einander zuhören, miteinander unterscheiden und gemeinsam transparent entscheiden gehören zusammen, das ist entscheidend für den geamtkirchlichen synodalen Weg: Hoffnung für das gemeinsame Arbeiten statt Angst voreinander und Zuflucht in das isolierte Bischofszimmer schafft Vertrauen. Lernen kann man es nur, indem man es miteinander praktiziert. Das exemplifizierst Du am Beispiel des Schluss-Dokuments. Deine Alternative ist seriös und eine entscheidende Bewährung des Projekts synodaler Weg. Die Erfahrung mit dem Schlussdokument der letzten Bischofssynode zeigt es schmerzlich auf.
    Eine gute Rückkehr in unsern Alltag und nachhaltige Weiterarbeit am Begonnenen.

  6. Es war sehr schön, liebe Helena, Dich nach den Zoom-Kontakten vor der Synodalversammlung jetzt in Prag live erleben zu dürfen. Danke für Dein kompetentes Engagement in der Vernetzung und in Prag, wo Du uns – die wir in der Hotel-Lobby des Hotels waren – immer über die aktuelle Stimmung und Entwicklung auf dem Laufenden gehalten hast. Weiter viel Kraft im gemeinsamen Engagement in unserer Kirche.
    Christian Weisner, Wir sind Kirche Deutschland https://www.wir-sind-kirche.de/prag2023

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